Bruno Paillard

Alice hängt den Pflug an die Sterne

Früher reiste Alice Paillard viel. Sie lebte in London, New York und Venedig. »Das war wichtig, um zu erkennen, wo ich wirklich hingehöre, nämlich in die Champagne.« 1981 hatte ihr Vater die Marke Bruno Paillard gegründet. Das Haus zählt mit seinen Weinbergen in bester Lage zu den avantgardistischen der Region, zum Beispiel mit seinem Champagner »Dosage Zéro« – den eine fast exzentrische Trockenheit adelt. Alice studierte nach ihrem Master in Management an der Universität Paris-Dauphine internationalen Weinhandel im Burgund, stieg mit 25 Jahren ins Familienunternehmen ein und leitet seit 2018 das Weingut. Ihr Erfolgsgeheimnis liegt nicht nur in ihrer Persönlichkeit und dem Charme, mit dem sie das Haus verkörpert, sondern auch darin, »dass wir nie etwas machen, nur weil es immer schon so gemacht wurde. So bleiben wir innovativ.«

Bereits die Kellerei ist anders: Sie liegt am Rande von Reims an einem schmucklosen Kreisverkehr zur Autobahn. Das Gebäude aus Stahl und Beton mit verspiegelten Außenwänden ist effizient auf einer Ebene angelegt. Der Wein wird in zwanzig Meter hohen Metalltanks aufbewahrt, im Lager daneben stapeln sich abholbereit 3.000 Flaschen pro Quadratmeter. Im Obergeschoss befinden sich die Büros und Verkostungsräume, in denen Alice ihre Gäste empfängt. Oder manchmal eine Gruppe, die sich »Transmission« nennt – eine Vereinigung von neun jungen Winzerinnen, »Femmes en Champagne«, die sich durchaus in der Tradition der führungsstarken Champagner-Witwen sehen. Sie wollen das Engagement von Frauen in der Champagne wieder stärken.

Sie alle verbindet die Liebe zum Champagner und die Sorge um die Zukunft der Region. Alice, Mutter von drei Kindern, sieht die Klimakrise als eine der größten Herausforderungen. Den Mut, sie anzugehen, hat sie. Wie sagt sie gern: »Um eine gerade Furche zu ziehen, hänge deinen Pflug an einen Stern.«

Martin Roos

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