Marie Povoa-Vogt
Gegenüber vom altehrwürdigen Justizpalast in Reims geht es herrlich plüschig zu. Unter dem Art-déco-Buntglasfenster mit lila Vögeln und Indigo-Wolken des Glaskünstlers Jacques Simon aus dem Jahr 1928 entlädt sich in dem roten Salon des Café du Palais ein Sammelsurium von Büsten, Skulpturen, Kerzenleuchtern, Spiegeln, alten Uhren, Lampen und kleinen Porzellanfiguren. Neben dem Klavier sitzt auf der gepolsterten Bank eine halbnackte Frauenpuppe, von deren Kopf riesige Hörner in den Raum ragen. Man weiß nicht, wohin man zuerst gucken soll. Gerade wegen dieses geschickt inszenierten Durcheinanders ist das Palais eine Institution. Künstler, Musiker und Modemacher mischen sich mit Studenten, Managern und Touristen. Es bietet typisch französisches Bistro-Essen und eine originelle Bühne für Lesungen, Jazz und Minifilmfestivals.
Seit 1930 ist das einstige »Café du Grand Théâtre« in Besitz der Familie Vogt. 1965 übernahm Jean-Louis die Leitung. Er dekorierte neu und machte das Café zu einem gesellschaftlichen Treff, der Berühmtheiten wie Jane Birkin, Juliet Berto oder Peter Falk alias Columbo anlockten – noch immer hält es für den amerikanischen TV-Kommissar einen Platz reserviert.
Heute ist Marie Povoa-Vogt, Jean-Louis‘ Enkelin, die Patronin. Sie lernte im Café schon das Laufen. Das Frühstück mit Croissants, Marmelade und Café ist klassisch. Wer mehr will, sollte den hausgemachten Apfelkuchen oder den Gâteau au chocolat noir probieren. Die Weinkarte hat einige sehr gute Champagner von Louis Roederer, Piper-Heidsieck, Taittinger oder Ployez-Jacquemart im Angebot.
Das Palais will Marie auf keinen Fall verändern. »Die Seele des Hauses muss bewahrt bleiben. Denn jeden Gast verbindet ja eine Geschichte mit dem Palais«, sagt sie. Das einzig Neue ist die Kommunikation: Auf Facebook und Instagram postet Marie jeden Tag aktuelle Menüs nach den Rezepten ihrer Großmutter.